„Der Mut von Menschen als Zeugen auszusagen, nötigt mir Hochachtung ab“ (Bertram Schmitt)

Am 14.1.23 habe ich, Julius Wolf, Mitarbeiter bei faX und Betroffener von sexueller Gewalt in der Kindheit, ein Interview in der Süddeutschen Zeitung (Seite 46) mit Bertram Schmitt gelesen. Bertram Schmitt ist Richter am Menschenrechtsgerichtshof in Den Haag und verhandelt dort schwerste Verbrechen an der Menschlichkeit. Das Interview fokussiert sich auf die Thematik der Schuld, wozu sich Schmitt durchaus beeindruckend menschlich und differenziert äußert. Doch darum geht es mir nicht. In der letzten Spalte des Interviews steht folgende Antwort auf die Frage „Sehen Sie die Menschen heute anders als früher?“:

„Je älter ich werde, desto mehr sehe ich eigentlich das Positive, so seltsam das jetzt vielleicht klingt. Der Mut von Menschen als Zeugen auszusagen, nötigt mir Hochachtung ab. Das hat schon in Deutschland begonnen, als ich in der Jugendkammer für Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern zuständig war. Es erfordert immense Kraft von einer Frau oder einem Kind auszusagen. Da sind innere Widerstände und äußere Widerstände, die überwunden werden müssen.“ (Bertram Schmitt SZ 14.1.22, S.46).

Es ist so bedeutsam und für mich als Betroffener berührend, dass eine Person mit einer solchen Reputation und Aussagemacht den Mut von Betroffenen von sexueller Gewalt in der Kindheit würdigt. Dass Herr Schmitt genau dieses Beispiel anbringt und nicht Betroffene anderer Gewaltformen (die ebenso viel Mut brauchen) zeigt mir einmal mehr, welche Kraft Betroffene von sexuellem Missbrauch aufbringen müssen, um sich Gehör zu verschaffen und die Aufarbeitung der eigenen Geschichte für sich und die Gesellschaft anzugehen und das insbesondere in juristischen Verfahren. In unserem Arbeitsalltag bei faX setzen wir uns täglich mit den angesprochenen inneren und äußeren Widerständen auseinander. Wir erfahren von Betroffenen welchen Widerständen sie begegnen und womit sie im Inneren ringen. Wir setzen uns auf struktureller Ebene dafür ein, die äußeren Widerstände abzubauen, wie im letzten Jahr beim Beteiligungsprozess zur Novellierung des Landesaktionplans gegen sexuelle Gewalt in der Kindheit und Jugend in Hessen.
An dieser Stelle möchte ich sagen: Danke Herr Schmitt für diese Worte, bitte tragen Sie diesen Respekt weiter in die Welt!

gez. Julius Wolf