Wir schauen zurück auf eine gelungene Auftaktveranstaltung im Wiesbadener Rathaus im Festsaal. Der Festsaal mit seinem gehobenen und feierlichen Ambiente verdeutlichte den Charakter des Erreichten und gemachten Schritt zur Versorgung von männlichen* Betroffenen von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend in Hessen. Welch lange Vorarbeit und Widerstände zu überwinden waren bis zu diesem Punkt verdeutlichte die Frauenbeauftragte der Stadt Wiesbaden Saskia Veit-Prang in ihren Grußworten und wies auf einen 20-jährigen Weg in Wiesbaden hin, in dem es erst jetzt gelungen ist männliche*Betroffene mit einem Beratungsangebot zu versorgen. Nun sind die vier Beratungsstellen Wildwasser Wiesbaden, Wildwasser Gießen, Profamilia Darmstadt und faX Kassel für die Beratung von männlichen* Betroffenen in die Arbeit gestartet. Innerhalb dieses Grußwortes wurde Christine Raupp ehemalige Geschäftsführerin von Wildwasser Wiesbaden gedankt, für die Jahrzehntelange Arbeit. Diesem Dank und der Würdigung schließen wir uns von faX an!
Wie das kulturelle Paradox „Entweder ist jemand ein Opfer oder er ist ein Mann“ (Hans-Joachim Lenz) die Auseinandersetzung mit dem Thema tabuisiert und erst Grenzen überwinden muss, verdeutlichte sehr persönlich der Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende von Wiesbaden: Er hätte die Anfrage auf seinem Schreibtisch zunächst weggeschoben und hätte erst in der Auseinandersetzung mit dem Thema einen Zugang gefunden und die Wichtigkeit erkannt.
Manuela Strube (Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend, Soziales) vertrat an diesem Tag die Landesregierung und verdeutlichte wie wichtig ihr dieser Auftakt sei und gab zum Abschluss ihrer Grußworte das Versprechen „Wer A sagt muss auch B sagen“ und verwies somit darauf, dass die Landesregierung das Thema der männlichen* Betroffenen entsprechend der (wachsenden) Bedarfe begleiten wird.
Die Grußworte sind nur der Auftakt im zentralen Mittelpunkt mit dem Fachvortrag standen zwei Betroffene und renommierte Fachexpert*innen für das Thema männliche* Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend: Thomas Schlingmann und Judith Neubauer von Tauwetter Berlin. Ihr dialogischer Vortrag nahm alle Besucher*innen mit und trug die beraterische Realität, aber vor allem das Erleben, den heterogenen Weg, von Betroffenen, in den Raum. Judith Neubauer stellte Bedarfe von Betroffenen in der Beratung und Begleitung allgemein und sachlich, jedoch sprachlich klar, kontrastiert und auf den Punkt dar. Thomas Schlingmann ergänzte dies mit dem Bezug und den Eigenheiten auf männliche Betroffene, authentisch, nahbar und an Beispielen aus der fast 30-jährigen Geschichte Tauwetters.
„Sexualisierte Gewalt ist ein Maximum an Ohnmachtserfahrungen“, betonte Judith Neubauer und ergänzte: „Zur Bearbeitung sexualisierter Gewalt braucht es keine zwangsverordneten Therapien, keine standardisierten Abläufe, sondern ehrliche Kontakte, ehrliche Begegnungen – schematische Abläufe verhindern Kontakt. Beratungsstellen brauchen Ressourcen, um Orte für Selbstbestimmung und Kontakt zu sein.“
In der folgenden moderierten Vorstellung der vier Beratungsstellen durch Barbara Behnen (Wildwasser Gießen), Lucas Jung (Profamilia Darmstadt) Anika Nagel (Wildwasser Wiesbaden) und Julius Wolf (faX Kassel) wurde die verschiedenen Arbeitsbereiche skizziert, die neben der Beratung von Betroffenen und Fachpersonen, auch Primärprävention mit Jungen*, Prävention im Sinne der Weiterbildung von Fachkräften sowie der Öffentlichkeitsarbeit zum Abbau von Mythen und Tabus umfasst.
Julius Wolf von faX konnte dabei aus der Arbeit mit den ersten Klienten berichten und deren Erleichterung „endlich „richtig“ zu sein“: Eine Beratungsstelle die genau zu ihrem Bedarf passt. Herr Wolf verdeutlichte wie betroffene Männer* die Erfahrung machen mit ihrem Thema der sexualisierten Gewalt nicht gesehen zu werden und in Hilfesystemen meist die Sekundärfolgen, wie Süchte, Armut, Schulverweigerung, ADHS, Burn Out etc. behandelt werden.
Uns von faX ist der Bedarf an Weiterbildung und Vernetzung in der psychosozialen Praxis im Laufe des letzten Jahres deutlich geworden. Nur gemeinsam mit anderen Akteur*innen kann es gelingen betroffenen Männern* gute Unterstützung zu gewährleisten. Hierfür ist ein Abbau an Mythen, Halbwissen und nicht-Wissen zu überwinden. Wir freuen uns damit dieses Jahr begonnen zu haben, mit einer Weiterbildung der Jungen AG von Stadt und Landkreis Kassel sowie zwei Vernetzungstreffen mit Personen aus den psychosozialen- bzw. psychotherapeutischen Hilfen. Wir haben eine Fortbildung zum Thema männliche* Betroffene konzeptioniert, welche als Inhouse Schulung (kostenpflichtig) gebucht werden kann. Zudem freuen wir uns sehr, dass am 27.9.24 unser erster großer Fachtag zum Thema männliche* Betroffene stattfinden wird und zu diesem werden Expert*innen der Fachpraxis und mit Hans-Joachim Lenz DER Wissenschaftler in Bezug auf männliche* Gewaltwiderfahrnisse kommen.
Wir freuen uns über den offiziellen Auftakt, die vielen Besucher*innen und vor allem anwesenden politischen Akteur*innen, die das Wissen dieser Veranstaltung mit in den Landtag und die Ministerien nehmen, eben dorthin wo das Thema sexualisierte Gewalt in der Kindheit und Jugend als gesellschaftsrelevantes besprochen werden muss. Die Arbeit hat im letzten Jahr begonnen und nimmt Fahrt auf. Auf unseren Flyern steht „Wenn Männer Hilfe suchen – Wir sind da!“ dies gilt für uns sowie Wildwasser Wiesbaden, Pofamilia Darmstadt, Wildwasser Gießen!