„Lirum, Larum, Löffelstiel – alle Menschen wussten viel“ (Max Mehrick)

faX-Fachtag: Ein Fest für faX und eine wichtige Veranstaltung für das Thema männliche* Betroffene

Am 27.9.24 war es nun so weit: Nach langer Vorbereitung, Bewerbung und einer Vielzahl an Überlegungen konnten wir am letzten Freitag das was im Kopf war und zum Konzept wurde, nun umsetzen und erleben. Das kurze Ergebnis: Aller Aufwand hat sich gelohnt!

Etwas ausführlicher: Es sind über 100 Personen unserer Einladung gefolgt, viele aus der Region Nordhessen, aber auch einige weit darüber hinaus. Die Mischung der Professionen spiegelte das große Netzwerk wider, das Betroffene benötigen um Hilfe zu erfahren, damit Schutz und Bewältigung gelingen können. So waren von Jugendamt und Jugendhilfe, Flüchtlingshilfe, psychologische-, sexual-, sozial- Beratung, aber auch Kolleg*innen anderer spezialisierter Fachberatungsstellen, Mitarbeiter*innen psychiatrischer und psychosomatischer Kliniken, Psychotherapeut*innen, Soziale-Hilfen, aber auch eine Mitarbeiterin des hessischen Familienministeriums (HMFG) sowie die Landeskoordinierungsstelle der spezialisierten Fachberatungsstellen da. Ganz besonders freuten wir uns über die Teilnahme von selbst betroffenen Personen. Die Teilnehmenden waren mit Engagement über den Tag und das Thema dabei. Besonders war dabei die Stimmung, in der der fachliche Austausch verknüpft und vertieft wurde durch das Finden von Sprache zu persönlichem, biografischen und emotionalen Erlebender Teilnehmenden.  

Die Stimmung war von Beginn an lebendig, kontaktvoll und teilweise dem Thema entsprechend emotional. Uns als faX-Team, anwesend mit 7 Mitarbeiter*innen, schien es zu gelingen einen Raum zu eröffnen, der durch unsere Grundhaltung des Miteinanders aber insbesondere im Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt positiv geprägt war.

Der Fachtag wurde von Annemarie Selzer als Geschäftsführerin und Gründerin von faX eröffnet. Sie zeichnete den kurzen, aber vielschichtigen Weg von 2019 bis heute von faX nach: Begonnen mit 15 Stunden, als Amani in Trägerschaft des Mädchenhauses, aber schon damals mit selbstbewusstem Auftreten, zu heute mit etwa vier Vollzeitäquivalenten auf acht hauptamtliche Mitarbeiter*innen aufgeteilt. Nach Frau Selzer unterstrichen Silke Engler, als erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Kassel und Nicole Maisch, als Bürgermeisterin der Stadt Kassel, in ihren Grußworten die Verankerung von faX in Stadt und Landkreis Kassel. Dabei zeigte Frau Engler auf, dass sie bei aller Knappheit der Kassen für unsere Arbeit einstehen werde. Frau Maisch ergänzte, wie faX die soziale Landschaft so manches Mal aufgewirbelt habe, zur Verbesserung und Weiterentwicklung des Schutzes vor sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend. An dieser Stelle möchten wir uns nochmals ganz herzlich für die Grußworte bedanken, sowie das gemeinsame Engagement für Schutz und Hilfe im Themenfeld sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend und in diesem Fall vor allem der Beratung von erwachsenen betroffenen Männern!

Den inhaltlichen Einstieg in den Tag bereiteten Hans-Joachim Lenz und Max Mehrick. Hans-Joachim Lenz zeichnete, als Sozialwissenschaftler und 50 Jahre an der Thematik „Männer als Gewaltopfer“ Forschender, Linien seiner wissenschaftlichen Arbeiten nach und fand deutlich auffordernde Worte, z.B. dass Gewaltopfer jenseits ihres Geschlechts gesehen werden müssten, jede*r einzelne sei ein Mensch, dem Gewalt widerfuhr. Die Schwierigkeiten, die dies im Leben von Männern* mitbringt zeigte er in dem von ihm benannten kulturellen Paradox: „Entweder ist jemand ein Mann oder ein Opfer“. Der Vortrag bekam eine eigene emotionale Tiefe durch die persönlichen Erzählungen von Lenz als Betroffener von sexualisierter Gewalt zu verschiedenen Zeiten seines Lebens.

Im darauffolgenden Vortrag nahm Max Mehrick die Teilnehmenden auf seinen Weg des Umgangs, des Ringens und der Herausforderungen als Betroffener von Kleinkindalter an mit. Wie das Leben als betroffener Mann immer wieder durch das Geschlecht geprägt wurde, Enttäuschungen, Verletzungen und Ausschlüsse mit sich brachten, vor allem ab dem Punkt des öffentlichen Sprechens.  Sprachlich feinsinnig und in der Tiefe komplex, an unterschiedlichen Stellen berührend und nahbar, nahm Max Mehrick die Anwesenden mit.

Mit diesem Auftakt, ergänzt durch die Moderation von Annemarie Selzer und Julius Wolf, waren die Teilnehmenden im Thema angekommen. Es folgten über den Tag zwei Workshopphasen mit jeweils fünf verschiedenen Workshops. Wir freuen uns, dass Kolleg*innen unserer Einladung als Referenten nach Kassel zu kommen gefolgt sind und ihre Expertise am Fachtag geteilt haben: Volker Möhrchen vom Bremer Jungenbüro, Martin Helmer bis Mitte des Jahres bei Zartbitter Münster, Marc Müller von HILFE FÜR JUNGS aus Berlin, Jens Ihnen vom Männerbüro Hannover sowie Judith Neubauer und Denés Vorgerber von tauwetter Berlin.

Der Tag ging mit einem offenen Gallery Walk zu Ende. Es war uns gelungen in jedem Workshop durch ein*e Mitarbeiter*in von faX stichwortartig und subjektiv zu protokollieren und den Teilnehmenden diese Ergebnisse als Gesprächsanlass und zum Nachklang direkt zur Verfügung zu stellen (siehe Bilder unten). So konnte zum Schluss, so wie über den gesamten Tag, ge-Netz-werkt, Gespräche und Diskurse geführt werden und das Thema auf vielfältige Weise erforscht werden.

Als weiteres Element des Fachtags und anderen Zugang zum Themenfeld sexualisierte Gewalt war im oberen Raum des Tagungszentrums Südflügel eine Ausstellung aufgebaut: Durch Bilder nahm Julius Wolf, als Betroffener, in das Erleben und Verarbeiten seiner Gewaltbiografie mit und bot Einblicke tief ins Innere des Erlebens. Neben dem hatte Max Mehrick seine sprachliche Tiefe in einzelnen Sätzen auf Postkarten in weiterer Weise gezeigt. Eine Vielzahl an Literatur und Materialien rundeten die Möglichkeit in das Thema einzusteigen ab.

Mit diesem Fachtag konnten wir einen wichtigen Raum schaffen das Thema der männlichen* Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der Kindheit und Jugend in den Mittelpunkt zu stellen, die praktische Fachwelt weiterzubilden und somit langfristig zur Verbesserung der Situation der Betroffenen beizutragen: Mythen aufzuklären, Tabus aufzulösen und männlichen* Betroffenen mehr Anerkennung und Unterstützung zu ermöglichen. Wir freuen uns, dass wir in diesem Jahr den einzigen Fachtag zu diesem wichtigen Tag veranstalten konnten und hoffen, dass weitere Folgen werden.

Nachdem wir als faX-Team aufgeräumt und alles Material zurück in die Beratungsstelle gebracht hatten, waren wir so erfreut, ja geradezu beseelt, dass wir noch länger zusammensaßen und zufrieden den Tag gemeinsam ausklingen lassen konnten.

Wir freuen uns auf die nächste Veranstaltung, in der wir mit Ihnen Inhalte des weiten Themenfelds sexualisierte Gewalt in der Kindheit und Jugend vertiefen können! Für uns hat der Fachtag gezeigt, wir sind mit Engagement dabei und setzen uns für Schutz von Kindern und Jugendlichen, Hilfe von Betroffenen und der Stärkung von Betroffenensicht ein!

Im Folgenden der Fachtag in Bildern sowie weiter unten Auszüge aus dem Gallery Walk mit Eindrücken der Workshops: